16.09.2022
Der Bedarf an Ladepunkten für E-Autos steigt rasant. Wichtiger als die Anzahl ist aber deren Leistung. Groß-Gerau in Südhessen ist bundesweiter Spitzenreiter.
Von: Kristin Lorenz, Frankfurt am Main
16.09.2022
Der Bedarf an Ladepunkten für E-Autos steigt rasant. Wichtiger als die Anzahl ist aber deren Leistung. Groß-Gerau in Südhessen ist bundesweiter Spitzenreiter.
Von: Kristin Lorenz, Frankfurt am Main
Eine Million öffentliche Ladepunkte für E-Fahrzeuge soll es bis 2030 in Deutschland geben – so der ambitionierte Plan der Bundesregierung. Doch aktuell erscheint es kaum realistisch, dass dieses Ziel erreicht wird. Laut Bundesnetzagentur waren Anfang Juli 2022 bundesweit rund 63.570 frei zugängliche Ladepunkte in Betrieb. Pro Woche wächst diese Zahl um etwa 330. Beim momentanen Ausbautempo wären im Jahr 2030 damit gerade einmal 200.000 Ladepunkte verfügbar – rund ein Fünftel der angestrebten Menge.
Dementsprechend kritisch blickt der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf die Entwicklung: „Das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030 hat die Notwendigkeit eines ambitionierten Ausbaus der Ladeinfrastruktur weiter erhöht. Trotzdem geht der Ausbau viel zu langsam voran“, teilte VDA-Präsidentin Hildegard Müller kürzlich mit.
Mehr Leistung statt mehr Ladesäulen
Weniger pessimistisch bewertet hingegen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) das Tempo. Nach Ansicht von BDEW-Experte Jan Strobel geht es weniger um die reine Zahl der Ladepunkte, sondern vielmehr um deren Leistung. Bei kürzeren Ladezeiten könnten mehr E-Autos pro Tag eine Säule nutzen. "Es geht um Kilowattstunden und um Leistung. Wir zählen ja auch nicht die Anzahl der Münzen im Portemonnaie, sondern deren Wert", so Strobel im Gespräch mit der Tagesschau. Dementsprechend sei die „Eine-Million-Ladepunkte-Diskussion“ nicht zielführend. Sie lenke von der Tatsache ab, dass das Ladesäulennetz bereits jetzt gut funktioniere und der Ausbau mit dem Zuwachs an E-Autos Schritt halten könne.
Aktuell sind rund 9.900 der insgesamt 63.500 öffentlichen Ladepunkte sogenannte Schnellladepunkte. Diese haben per Definition der Bundesnetzagentur eine Leistung von mindestens 22 Kilowatt, in der Regel liegt diese aber deutlich höher – mit Spitzenwerten von 350 Kilowatt. Das Laden für eine Reichweite von 100 Kilometern ist damit innerhalb weniger Minuten erledigt.
Obwohl zum jetzigen Zeitpunkt nur knapp 16 Prozent der Ladepunkte mehr als 22 Kilowatt bieten, machen diese bereits mehr als die Hälfte der Ladeleistung in Deutschland aus. Dabei sind die sogenannten „Supercharger“ von Tesla noch gar nicht eingerechnet, wenngleich der US-Konzern Ende 2021 begonnen hat, diese auch für Autos anderer Hersteller freizugeben.
Schnellladesäulen an belebten Standorten nötig
Um die Ladeinfrastruktur zu verbessern und damit letztendlich auch die Akzeptanz von E-Autos bei den Verbrauchern zu erhöhen, sollte der Fokus beim Ausbau laut Experten auf Schnellladern im öffentlichen Raum liegen. Besondere Bedeutung kommt dabei stark frequentierten Einzelhandelsstandorten zu, wie etwa eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende unterstreicht. Stehen an Orten des täglichen Lebens – beispielsweise Supermärkten, Baumärkten, Einkaufszentren oder Kinos – ausreichend Schnell- und Hochleistungsladepunkte zur Verfügung, ließe sich eine rasche Grundversorgung gewährleisten. In Kombination mit privaten Ladesäulen, an denen laut Schätzungen bis 2030 mehr als 75 Prozent der gesamten Ladevorgänge durchgeführt werden, könnte der Bedarf mit deutlich weniger als einer Million öffentlicher Ladepunkten gedeckt werden.
Groß-Gerau in Südhessen als Vorbild
Besonders schnell schreitet der Ausbau der Ladeinfrastruktur aktuell in Groß-Gerau voran: Die südhessische Stadt erreichte im Frühjahr 2022 das deutschlandweit beste Verhältnis von E-Autos zu Ladepunkten, ergaben Daten der Bundesnetzagentur (BNetzA) und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Lediglich 4,8 E-Autos müssen sich hier einen öffentlichen Ladepunkt teilen.