17.11.2021
Mit dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden.
Von: Henning Marten
17.11.2021
Mit dem Maßnahmenpaket „Fit for 55“ sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden.
Von: Henning Marten
Mit dem Gesetzespaket „Fit for 55“ legt die EU-Kommission zwölf konkrete Vorschläge vor, wie die europäische Wirtschaft klimafreundlich umgebaut werden kann und was die einzelnen Sektoren der Wirtschaft dafür tun sollten. Vorgesehen sind unter anderem neue Steuern und Zölle, das faktische Ende des Verbrennungsmotors und eine Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge sowie eine Abgabe für Importe aus Drittländern, die klimaschädlicher produzieren als die EU. Darüber hinaus wird eine Ausweitung des Emissionshandels geplant.
Ende des Verbrennungsmotors
Für die Autoindustrie sollen schärfere CO2-Einsparregeln gelten. Die Neuwagenflotten müssen bis 2030 ihren Verbrauch im Schnitt um 55 Prozent unter das jetzt gültige Niveau senken. Ab 2035 sollen Neuwagen gar kein CO2 mehr ausstoßen dürfen – was faktisch das Ende des Verbrennungsmotors bedeutet. Herkömmliche Diesel oder Benziner sollen dann nicht mehr neu zugelassen werden dürfen. Das soll durch flankierende Maßnahmen unterstützt werden, unter anderem durch den Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und den Ausbau von Lade-Infrastruktur für E-Autos.
Neue Kerosinsteuer
Die EU-Kommission will schrittweise eine Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge einführen. Flugtickets dürften dadurch teurer werden.
Die Kommission schlägt zudem vor, die Kerosinhersteller darauf zu verpflichten, ihrem Flugzeugbenzin bis 2030 mindestens zwei Prozent klimafreundliche Kraftstoffe beizumischen. Bis 2050 soll der Anteil auf 65 Prozent steigen. Bio-Kerosin kann in den heutigen Triebwerken verbrannt werden.
Mehr Erneuerbare Energien und höhere Energieeffizienz
Die EU will den Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch auf 40 Prozent steigern. Bisher lag die Vorgabe bei 27 Prozent. Derzeit liegt der Anteil bei um die 20 Prozent. Auch die Einspar-Vorgabe für Energie soll verschärft werden.
Handel mit Emissionsrechten wird ausgeweitet
Ein Vorschlag sieht vor, das europäische Emissionshandelssystems ETS, mit dem Verschmutzungsrechte vergeben werden, zu reformieren und auszuweiten. Damit ist bislang der Industrie- und Stromerzeugungsbereich reguliert. Die Verschmutzungszertifikate sollen hier weiter heruntergefahren werden. Industriezweige wie Stahl, Zement oder Chemie wurden bislang durch die Gratiszuteilung von Verschmutzungsrechten und durch weitere Erleichterungen im weltweiten Wettbewerb geschützt. Diese Gratisausgabe, aber auch der Verkauf der Rechte sollen gekürzt werden. Zudem soll auch die regelmäßige, jährliche Verknappung von Zertifikaten beschleunigt werden.
Der Schifffahrts-, Verkehrs- und der Gebäudesektor ist bislang vom ETS-System ausgespart geblieben, sorgt aber für einen erheblichen Anteil an Emissionen. Diese Bereiche sollen nun ein separates ETS-System erhalten, mit dem auch dort klimafreundliches Verhalten stärker gefördert werden soll. Anbieter von Benzin und Heizöl sollen voraussichtlich ab 2026 Zertifikate kaufen müssen. Die Folge: Heiz- und Spritkosten werden steigen.
Der Vorschlag wird deshalb von vielen Abgeordneten im EU-Parlament kritisch gesehen. EU-weit große Unterschiede in der Kaufkraft könnten zu einer übermäßigen Belastung von Menschen mit niedrigem Einkommen und besonders in ärmeren Ländern führen, so die Sorge. Die Kommission will hier mit einem Sozialfonds im Umfang von 70 Milliarden Euro gegensteuern. Besonders ärmere Länder sollen mit dem Geld Investitionen in neue saubere Fahrzeuge, in den Öffentlichen Nahverkehr und in energetische Gebäuderenovierungen finanzieren.
CO2-Grenzausgleich
Der CO2-Grenzausgleich soll dafür sorgen, dass bestimmte Produkte, die anderswo unter niedrigeren Klimavorgaben hergestellt werden, beim Import in die EU einen Aufpreis erhalten. Europäischen Unternehmen dürfte das gegenüber ausländischer Konkurrenz im Binnenmarkt helfen. Es soll unter anderem die europäische Stahl- oder Chemieindustrie vor „schmutzigen Importen“ schützen und zudem verhindern, dass die klimaschädliche Produktion von Gütern einfach ins Ausland verlagert wird.
Auf einen solchen Grenzausgleichsmechanismus haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU im Grundsatz bereits 2020 geeinigt. Jetzt hat die EU-Kommission konkret vorgeschlagen, dafür das bestehende europäische Handelssystem für Emissionsrechte auszubauen. Importeure von Stahl, Aluminium, Zement und Düngemittel etwa müssten dann CO2-Zertifikate entsprechend der Klimaschädlichkeit ihrer Einfuhren kaufen.
Die Umsetzung der Klimaschutzpläne wird zum Teil über Jahre gestreckt, um Übergangsfristen zu gewährleisten. Auch der Gesetzgebungsprozess selbst wird sich voraussichtlich noch Jahre hinziehen. Zunächst beraten die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament über das Maßnahmenpaket.